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Kirgisistan/Bischkek
Dr. Max Georg Meier: Kirgisistan braucht eine transparente und effiziente öffentliche Verwaltung, die sich an den Bürgern orientiert

In einem Interview mit der kirgisischen Nachrichtenagentur Kabar sprach Dr. Max Georg Meier, Projektleiter der Hanns-Seidel-Stiftung für Zentralasien, über Empfehlungen für die erfolgreiche Entwicklung Kirgisistans.

Laut dem zentralasiatischen Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung braucht Kirgisistan eine transparente und effektive öffentliche Verwaltung, die sich an den Bürgern orientiert.

 

„Kirgisistan ist ein demokratisches und freies Land. Hier können Sie frei Diskussionen zu verschiedenen Themen führen, auch über die Arbeit der Regierung. In diesem Zusammenhang möchte die Stiftung, die über 17 Jahre Erfahrung in Kirgisistan verfügt, ihre Vision einer effektiven staatlichen und lokalen Regierungsführung, die speziell für das Wohl dieses Landes arbeitet, mit allen Interessierten teilen “, sagte Dr. Meier in einem Interview.

Nach Angaben des Projektleiters der Hanns-Seidel-Stiftung ist in Kirgisistan eine vollständige Optimierung der gesamten Verwaltungsstruktur erforderlich. „Wie Sie wissen, gibt es in Kirgisistan eine Präsidialstruktur, der Präsident hat seinen eigenen Apparat und den ihm unterstellten Sicherheitsrat, das ihm unterstellte Staatskomitee für nationale Sicherheit einschließlich der Antikorruptionsbehörde, der Generalstaatsanwaltschaft und so weiter. Es gibt auch das Parlament, das wiederum über einen eigenen Apparat verfügt und dem die Regierung Bericht erstattet. Weiterhin verfügt die Regierung auch über einen großen Apparat, nicht zu vergessen Ministerien, Agenturen und staatliche Dienstleistungsunternehmen mit breitem Personalbestand. Es gibt ungefähr vierzig von ihnen. Darüber hinaus verfügt die Regierung über Bevollmächtigte in den Regionen, gefolgt von Regionen mit Landräten, Städten mit Bürgermeistern und ihrer Verwaltung und schließlich Gemeinden mit ihren Rathäusern und lokalen Abgeordneten. So hat das kleine Kirgisistan eine große Anzahl staatlicher und kommunaler Angestellter und eine Reihe sich überschneidender staatlicher Institutionen. Letztendlich scheint diese überlastete Struktur manchmal gar ein Hindernis für die Entwicklung Kirgisistans zu sein, anstatt einen angemessenen Ausgleich zwischen vertikaler und horizontaler Gewalt zu schaffen und das Land zu entwickeln. In Deutschland gibt es zum Beispiel nur 12 Bundesministerien, aber die Behörden in jeder Region sind mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. In Kirgisistan ist dies nicht der Fall. Hier haben Gouverneure, Landräte und Bürgermeister nur sehr begrenzte Befugnisse “, sagte Dr. Meier.

Als Empfehlung wies der Gesprächspartner auf die dringende Notwendigkeit politischer, administrativer und territorialer Reformen im Land hin.

„Ich möchte die kirgisischen Behörden einladen, die Verwaltungsstruktur und politische Machtstruktur in Kirgisistan zu überprüfen. Das heißt, weg von der klassischen Unterteilung in Regierungsbezirke und Landkreise und hin zu Mega-Landkreisen (verbunden mit der gänzlichen Aufhebung von Regierungsbezirken). Das ganze System sollte auf 20 Mega-Landkreise und 200 Gemeinden (anstelle von 453) reduziert werden. Aufgrund seiner kompakten Struktur und seiner geringen Bevölkerungszahl wäre diese Verwaltungsstruktur für Kirgisistan von Vorteil und bei weitem ökonomischer. Es sollte auch die Möglichkeit geben, dass die Bürger ihre Landräte und Bürgermeister selbst wählen.

In Kirgisistan gibt es 7 Regierungsbezirke, 40 Landkreise und mehr als 450 Gemeinden, und in all diesen staatlichen/kommunalen Körperschaften gibt es eine „kleine“ Armee von Beamten oder Kommunalbeamten. Natürlich sind die Löhne im öffentlichen/kommunalen Dienst im ganzen Land niedrig und die öffentlich/kommunal Bediensteten sind schlecht motiviert. Dementsprechend beeinträchtigen niedrige Löhne auch die Qualität der erbrachten öffentlichen/kommunalen Dienstleistungen. All dies wirkt sich letztendlich negativ auf die Lebensqualität in Kirgisistan und sein internationales Image aus, auf das auch jeder ausländische Investor immer achtet “, betonte er.

Laut dem Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung in Zentralasien wird die Optimierung der gesamten Verwaltungsstruktur Kirgisistans effektiv zur Entwicklung des Landes beitragen. Die Reduzierung von Duplizierungen von Regierungsbehörden und der Abbau der übergroßen Zahl von öffentlich und kommunal Beamten wird es ermöglichen, die nationalen und kommunalen Budgets zu entlasten und mehr öffentliche Investitionsmöglichkeiten für benötigte Infrastrukturprojekte und auch Sozialleistungen an die Bürger zu schaffen. Aufgrund der neuen Struktur der staatlichen und kommunalen Budgets wird es wiederum möglich sein, die Löhne von ausgewählten verbleibenden qualifizierten öffentlichen und kommunalen Mitarbeiter zu erhöhen und dadurch das Niveau und die Qualität der erbrachten öffentlichen Dienstleistungen zu erhöhen.

„Gute Löhne werden den Wettbewerb zwischen staatlichen und kommunalen Mitarbeitern erhöhen, und durch diesen Mechanismus werden weniger kompetente Beamte verschwinden.

Um diese Reformen umzusetzen, braucht Kirgisistan eine starke politische Führung, wahrscheinlich sogar einen Verfassungsrat, gefolgt von einem Verfassungsreferendum. In Kirgisistan ist die Macht zwischen dem Präsidenten und dem Parlament aufgeteilt, und in bestimmten Situationen treibt dieses Modell das Land in eine Krise und in einen unnötigen Machtkampf. Kirgisistan muss eine Entscheidung treffen: Entweder eine starke präsidiale Res Publica oder eine starke parlamentarische Res Publica. Alles dazwischen oder gemischte Optionen werden Kirgisistan nicht die Reformen bringen, die das Land dringend benötigt. Wenn wir die Geschichte des Landes betrachten, sehen wir, dass das kirgisische Volk im Allgemeinen stets den Parlamentarismus bevorzugt hat. Schon in alten Zeit – noch zu Zeiten, als das Land eine Stammesstruktur hatte - gab es Volksräte (Kenesh), gewählte Vorsitzende von Räten (Kenesh), Nationalversammlungen und jährliche nationenweite Ratsversammlungen mit allen Bevölkerungsgruppen (Kurultais)“, sagt Max Georg Meier.

Max Georg Meier führte Deutschland als Beispiel für einen prosperierenden Staat an, der Reformen zeitnah umsetzt und häufig regionale Referenden praktiziert. „Deutschland hat keine reichen natürlichen Ressourcen, es gibt kein Gas, kein Öl, aber das Land befindet sich immer in einer dynamischen Entwicklung. Dies liegt daran, dass Politik und Verwaltung in Deutschland die wichtige Funktion der Durchführung von Reformen in verschiedenen Richtungen verstehen. Beispielsweise wurde in Bayern als eine der letzten großen Reformmaßnahmen eine Reduzierung der Zahl der Kommunalverwaltungen vorgenommen, und eine weitere neue Verwaltungsreform wird derzeit diskutiert. Die politische Macht in Deutschland ist in den Händen des nationalen und der regionalen Parlamente konzentriert, wobei diese notwendige Reformen zum richtigen Zeitpunkt durchführen. Zum Beispiel gibt es heutzutage eine hitzige Diskussion, die Anzahl der Abgeordneten im nationalen Parlament zu verringern, um dieses Gremium wieder effektiver zu machen und die betreffenden Kosten zu senken. Das heißt: Deutschland versucht immer, notwendige Reformen rechtzeitig und in Konsensus mit seiner Bevölkerung einzuleiten und durchzuführen“, schloss Max Georg Meier.