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Fortbildung
Bayerische Erfahrung für Verwaltungsreform in Kirgisistan

Kommunale Verwaltungsreformen haben das Ziel, die Leistungsfähigkeit, Effizienz und Verwaltungskraft räumlicher Verwaltungseinheiten durch territoriale Neuzuschnitte zu steigern . In den neuen Bundesländern der Bundesrepublik Deutschland wurde diese Reform nach der Wiedervereinigung (1990) sofort eingeleitet und auch Kirgisistan als zentralasiatisches Partnerland der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) entwickelt bei diesem Thema seit nunmehr zehn Jahren große Anstrengungen.

Während dieses Prozesses soll weiterhin die vielfältige bayerische Erfahrung zur Verfügung  stehen. Daher hat die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) vom 09. bis 15. September 2018 eine hochrangige achtköpfige kirgisische Delegation nach München und Bayern zu dem Thema eingeladen. Im Mittelpunkt der Gespräche stand dabei vor allem die Verwaltungsebene der Landkreise.   Diese bestand aus Schlüsselfunktionsträgern der öffentlichen Verwaltung aus Kirgisistan (stellv. Gouverneurin, Landräte, stellv. Landräte). An der Spitze der kirgisischen Delegation stand Herr Akram Madumarov, Leiter der nationalen Agentur für den öffentlichen Dienst. In Fachgesprächen mit Vertretern der Landratsämter Landsberg am Lech und  Augsburg, des Bayerischen Landkreistags und der Marktgemeinde Meitingen wurden den zentralasiatischen Gästen die Ziele und Ergebnisse der letzten bayerischen Gebietsreform, sowie der Funktionalreform als fortdauernder politischer Reformprozess ausführlich dargestellt. Die bayerischen Fachexperten betonten dabei, dass es sich bei Gebietsreformen in Bayern um tiefe und weitreichende Eingriffe in die gewachsenen Grenzkonstruktionen auf lokaler und regionaler Ebene gehandelt hat. Die noch mit einem Erlass von König Maximilian I. eingeleitete Verwaltungsreform, mit der die endgültige Selbstverwaltung der bayerischen Gemeinden eingeleitet worden war (Erstes und zweites Gemeindeedikt zwischen 1808 und 1818), hatte schließlich 150 Jahre Bestand. Und auch die letzte Gebietsreform im Freistaat Bayern aus den Jahren von 1967 bis 1978 ist nach fast 40 Jahren weiter gültig und steht nicht zur Diskussion. Sie hatte das Ziel, leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise zu schaffen, aber dabei die Bürgernähe zu erhalten. Aus vorher 143 bayerischen Landkreisen wurden so insgesamt 71 neue Landkreise und die Zahl der bayerischen Gemeinden verringerte sich im Zeitraum 1971 bis 1978 von 6.962 um etwa zwei Drittel auf 2.359 kreisangehörige Gemeinden. Man orientierte sich bei der Neugliederung in Bayern weitgehend an der zentralörtlichen Struktur (Zentrale-Orte-Konzept[1]) und den sozio-ökonomischen Verflechtungen, oftmals waren auch politische Erwägungen bedeutsam. Zur raumordnungspolitischen Legitimierung der Gebietsreform diente vor allem das normative Leitbild der Herstellung „gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen Bayerns“. In den Gesprächen der Delegation mit den Vertretern der HSS im Konferenzzentrum München bestand Einigkeit darüber, dass eine wichtige Komponente für den Erfolg der bayerischen Gebietsreform auch der hohe Grad an politischer und teilweise kritischer Partizipation der bayerischen Bürger (über Parteien, Kreis- und Gemeinderat, oder Bürgerinitiativen), aber auch deren gesellschaftliches Engagement über Vereine mit freiwilliger Mitgliedschaft in den Bereichen Heimatpflege, Sport, Musik, Kultur, Umwelt- und Naturschutz oder Soziales war. Den kirgisischen Gästen wurde die Empfehlung mitgegeben, ihre Gebietsreformen auch mit Beteiligung der Bürger zu gestalten und diese später zu einer der tragenden Säulen in den neu entstehenden gemeindlichen Strukturen zu machen. 

Die kirgisischen Vertreter wurden darauf hingewiesen, dass neben den meist in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit anziehenden Maßnahmen für eine territoriale Gebietsreform, auch die Funktionalreform als fortdauernder politischer Reformprozess intensiv vorangetrieben werden sollte. Aufgaben und Zuständigkeiten von Behörden (einschließlich angewandter Verfahren) sollten ständig überprüft, angepasst und korrigiert werden. Dem Wegfall von Aufgaben kann die Einführung neuer Dienstleistungen gegenüberstehen stehen oder auch die Möglichkeiten der Privatisierung genutzt werden. Behörden können aufgelöst, zusammengelegt oder ihr Standort gewechselt werden (Dezentralisierung). Es kann zu einer Verlagerung von Zuständigkeiten nach unten (Delegation) oder nach oben (Zentralisierung) kommen. Es sollte immer nach Möglichkeiten des Bürokratieabbaus gesucht werden (Streichung überholter Vorschriften – Rechtsbereinigung, Abschaffung von unnötigen Genehmigungsverfahren, Vereinheitlichung/Straffung/Beschleunigung von administrativen Prozessen, Ausweitung des Einsatzes von e-government). Abschließend wurde von Seiten der HSS der Anspruch der öffentlichen und kommunalen Verwaltung in Bayern unter den folgenden Prinzipien zusammengefasst: Rechtssicherheit, Leistungsfähigkeit und Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Bürgernähe und Partizipation, sowie Transparenz.     Auch die kirgisischen Vertreter hatten die Gelegenheit, die wichtigsten Inhalte ihrer angestrebten nationalen Gebietsreform darzustellen und das Urteil erfahrener deutscher Fachexperten dazu einzuholen: In Kirgisistan hat die viel diskutierte Verwaltungsgebietsreform (Regierungsverordnung Nr. 198 vom 23. März 2012) bereits konkret begonnen: In der ersten Etappe (2012-2014) wurden die Bezirksregierungen und die Kreistage abgeschafft. Jetzt sollen kleinere kirgisische Gemeinden zu größeren leistungsstärkeren Gemeinden zusammengelegt und kleinere kirgisische Landkreise zu sogenannten Mega-Landkreisen vereint werden. Die Fachgespräche, die von der kirgisischen Delegation mit den Vertretern der Bayerischen Verwaltungsschule (BVS) und dem Bayerischen Selbstverwaltungskolleg (BSVK) geführt wurden, brachten die gemeinsame Erkenntnis, dass für das Gelingen der kirgisischen Verwaltungsreform qualifizierte gewählte und gut ausgebildete ernannte Vertreter in der kommunalen und öffentlichen Verwaltung eine wichtige Voraussetzung sind. Und genau hier setzt die Arbeit der HSS in ganz Zentralasien (Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan) seit dem Jahre 2002 an. Die Stiftung fördert seit diesem Zeitpunkt in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Verwaltungsakademien (institutionelle Förderung) die Aus- und Fortbildung von jungen gewählten und ernannten Führungskräften aus den Bereichen der kommunalen Selbstverwaltung und der öffentlichen Verwaltung. Absolventen der 12- bis 24-monatigen HSS-Stipendiatenprogramme werden dabei auch nach dem Wiedereinstieg ins Berufsleben weiter von der Stiftung unterstützt. Sie sollen zu den Stützen bei der Reform der lokalen Verwaltungsstrukturen, beim Aufbau einer effizienten bürgerorientierten öffentlichen Verwaltung und bei der Entwicklung einer Rechtsstaatskultur in ihrem Lande werden. Nach mehr als 15 Jahren Projektarbeit zählt die HSS in den drei zentralasiatischen Projektländern insgesamt 2.373 (Kirgisistan: 1.742) Absolventen. Mehr als 424 (Kirgisistan: 355) aktive HSS-Stipendiaten setzen ihr Studium fort. Die jahrelange solide Arbeit der HSS mit ihren zentralasiatischen Partnerorganisationen (nationale Akademien und Institute für öffentliche Verwaltung, nationale Agenturen für den öffentlichen Dienst) und der allerorts anerkannte Erfolg im Bereich der Aus- und Fortbildung von öffentlich und kommunal Bediensteten machen die Stiftung heutzutage in Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan auch zu einem gesuchten und vertrauensvollen Ansprechpartner bei Fragen der Gebiets- und Funktionalverwaltungsreform.