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Für mehr Effizienz
Bayerische Erfahrung für Verwaltungsreform in Zentralasien

Kommunale Verwaltungsreformen haben das Ziel, die Leistungsfähigkeit, Effizienz und Verwaltungskraft räumlicher Verwaltungseinheiten durch territoriale Neuzuschnitte zu steigern. In den neuen Bundesländern wurde diese Reform nach der Wiedervereinigung sofort eingeleitet und auch die zentralasiatischen Partnerländer der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) entwickeln bei diesem Thema seit nunmehr zehn Jahren Anstrengungen.

Teilnehmer vor der Stiftungszentrale

Teilnehmer vor der Stiftungszentrale

Kommunale Verwaltungsreformen haben das Ziel, die Leistungsfähigkeit, Effizienz und Verwaltungskraft räumlicher Verwaltungseinheiten durch territoriale Neuzuschnitte zu steigern . In den neuen Bundesländern wurde diese Reform nach der Wiedervereinigung sofort eingeleitet und auch die zentralasiatischen Partnerländer der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) entwickeln bei diesem Thema seit nunmehr zehn Jahren Anstrengungen.

Während dieses Prozesses soll weiterhin die vielfältige bayerische Erfahrung zur Verfügung  stehen. Daher hat die Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) vom 24. bis 30. April 2016 eine hochrangige fünfzehnköpfige kirgisische/tadschikische/kasachische Delegation nach München und Bayern zu dem Thema eingeladen.

Diese wurde von Schlüsselfunktionsträgern der jeweiligen Staatspräsidenten- und Ministerpräsidentenämtern aus Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan angeführt. An der Spitze der kirgisischen Teilnehmer stand Herr Bakyt Rysbaev, Minister und Leiter der Agentur für lokale Selbstverwaltung und inter-ethnische Beziehungen. Als HSS-Alumnus ist er für die weitere Umsetzung der Verwaltungsreform in seinem Lande zuständig.

In Fachgesprächen mit Vertretern aus der bayerischen Staatsregierung, der Regierung von Oberbayern, dem Landratsamt Augsburg und der Marktgemeinde Dinkelscherben wurden den zentralasiatischen Gästen die Ziele und Ergebnisse der letzten bayerischen Gebietsreform, sowie der Funktionalreform als fortdauernder politischer Reformprozess ausführlich dargestellt.

Teilnehmer mit der Musikvereinigung der Gemeinde Dinkelscherben

Teilnehmer mit der Musikvereinigung der Gemeinde Dinkelscherben

Die bayerischen Fachexperten betonten dabei, dass es sich bei Gebietsreformen in Bayern um tiefe und weitreichende Eingriffe in die gewachsenen Grenzkonstruktionen auf lokaler und regionaler Ebene gehandelt hat. Die noch mit einem Erlass von König Maximilian I. eingeleitete Verwaltungsreform, mit der die endgültige Selbstverwaltung der bayerischen Gemeinden eingeleitet worden war (Erstes und zweites Gemeindeedikt zwischen 1808 und 1818), hatte schließlich 150 Jahre Bestand. Und auch die letzte Gebietsreform im Freistaat Bayern aus den Jahren von 1967 bis 1978 ist nach fast 40 Jahren weiter gültig und steht nicht zur Diskussion. Sie hatte das Ziel, leistungsfähigere Gemeinden und Landkreise zu schaffen, aber dabei die Bürgernähe zu erhalten. Aus vorher 143 bayerischen Landkreisen wurden so insgesamt 71 neue Landkreise und die Zahl der bayerischen Gemeinden verringerte sich im Zeitraum 1971 bis 1978 von 6.962 um etwa zwei Drittel auf 2.359 kreisangehörige Gemeinden. Man orientierte sich bei der Neugliederung in Bayern weitgehend an der zentralörtlichen Struktur (Zentrale-Orte-Konzept ) und den sozio-ökonomischen Verflechtungen, oftmals waren auch politische Erwägungen bedeutsam. Zur raumordnungspolitischen Legitimierung der Gebietsreform diente vor allem das normative Leitbild der Herstellung „gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilen Bayerns“.

Teilnehmer mit dem Augsburger Landrat Herrn Martin Sailer

Teilnehmer mit dem Augsburger Landrat Herrn Martin Sailer

Die zentralasiatischen Vertreter wurden darauf hingewiesen, dass neben den meist in der Öffentlichkeit viel Aufmerksamkeit anziehenden Maßnahmen für eine Gebietsreform, auch die Funktionalreform als fortdauernder politischer Reformprozess intensiv vorangetrieben werden sollte. Aufgaben und Zuständigkeiten von Behörden (einschließlich angewandter Verfahren) sollten ständig überprüft, angepasst und korrigiert werden. Dem Wegfall von Aufgaben kann die Einführung neuer Dienstleistungen gegenüberstehen stehen oder auch die Möglichkeiten der Privatisierung genutzt werden. Behörden können aufgelöst, zusammengelegt oder ihr Standort gewechselt werden (Dezentralisierung). Es kann zu einer Verlagerung von Zuständigkeiten nach unten (Delegation) oder nach oben (Zentralisierung) kommen. Es sollte immer nach Möglichkeiten des Bürokratieabbaus gesucht werden (Streichung überholter Vorschriften – Rechtsbereinigung, Abschaffung von unnötigen Genehmigungsverfahren, Vereinheitlichung/Straffung/Beschleunigung von administrativen Prozessen, Ausweitung des Einsatzes von e-government).

Abschließend wurde von Seiten der HSS der Anspruch der öffentlichen und kommunalen Verwaltung in Bayern unter den folgenden Prinzipien zusammengefasst: Rechtssicherheit, Leistungsfähigkeit und Effizienz, Wirtschaftlichkeit, Bürgernähe und Partizipation, sowie Transparenz.

Auch die zentralasatischen Vertreter hatten die Gelegenheit, die wichtigsten Inhalte ihrer angestrebten nationalen Gebietsreformen darzustellen und das Urteil erfahrener deutscher Fachexperten dazu einzuholen:

In Kirgisistan hat die viel diskutierte und teilweise von Protesten begleitete Verwaltungsgebietsreform (Regierungsverordnung Nr. 198 vom 23. März 2012) bereits konkret begonnen: In der ersten Etappe (2012-2014) wurden die Bezirksregierungen und die Kreistage abgeschafft. Jetzt sollen kleinere kirgisische Gemeinden zu größeren leistungsstärkeren Gemeinden zusammengelegt und kleinere kirgisische Landkreise zu sogenannten Mega-Landkreisen vereint werden. In Tadschikistan war die gesetzliche Grundlage für eine umfassende Gebietsreform bereits am 15. März 2006 mit dem Dekret des Staatspräsidenten Nr. 1713 geschaffen worden. Der Weg zur tadschikischen Verwaltungsgebietsreform erweist sich jedoch als beschwerlich. In den letzten Jahren konnte durch den Einsatz internationaler Berater  lediglich im Rahmen einer Funktionalreform die Struktur einiger Schlüsselministerien verbessert werden, was auch deren Effizienz und Transparenz steigerte. Duplizierungen bei Gesetzen wurden analysiert und bereinigt. Jetzt soll jedoch auch die überfällige tadschikische Gebietsreform in Angriff genommen werden. Dabei ist geplant, berufsständische Organisationen und Vertreter der Zivilgesellschaft an zugehörigen Gesetzesverfahren zu beteiligen. In Kasachstan steht seit dem Jahre 2012 vor allem die Verwaltungsebene Landkreis im Blickpunkt von landesweiten Reformbemühungen (Beispiel: Angestrebte Direktwahl der Landräte). 

Teilnehmer mit der Stiftungsvorsitzenden Frau Prof. Ursula Männle

Teilnehmer mit der Stiftungsvorsitzenden Frau Prof. Ursula Männle

Die Fachgespräche, die von der zentralasiatischen Delegation mit der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege in Bayern (FHVR), der Bayerischen Verwaltungsschule (BVS) und dem Bayerischen Selbstverwaltungskolleg (BSVK)  geführt wurden, brachten die gemeinsame Erkenntnis, dass für das Gelingen der zentralasiatischen Verwaltungsreformen qualifizierte gewählte und gut ausgebildete ernannte Vertreter in der kommunalen und öffentlichen Verwaltung eine wichtige Voraussetzung sind.

Und genau hier setzt die Arbeit der HSS in Zentralasien (Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan) seit dem Jahre 2002 an.

Die Stiftung fördert seit diesem Zeitpunkt in Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Verwaltungsakademien (institutionelle Förderung) die Aus- und Fortbildung von jungen gewählten und ernannten Führungskräften aus den Bereichen der kommunalen Selbstverwaltung und der öffentlichen Verwaltung. Absolventen der 12- bis 24-monatigen HSS-Stipendiatenprogramme werden dabei auch nach dem Wiedereinstieg ins Berufsleben weiter von der Stiftung unterstützt. Sie sollen zu den Stützen bei der Reform der lokalen Verwaltungsstrukturen, beim Aufbau einer effizienten bürgerorientierten öffentlichen Verwaltung und bei der Entwicklung einer Rechtsstaatskultur in ihrem Lande werden. Nach mehr als zehn Jahren Projektarbeit zählt die HSS in den drei zentralasiatischen Projektländern insgesamt 2.028 Absolventen. Mehr als 177 aktive HSS-Stipendiaten setzen ihr Studium fort.

Die jahrelange solide Arbeit der HSS mit ihren zentralasiatischen Partnerorganisationen (nationale Akademien und Institute für öffentliche Verwaltung) und der allerorts anerkannte Erfolg im Bereich der Aus- und Fortbildung von öffentlich und kommunal Bediensteten machen die Stiftung heutzutage in Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan auch zu einem gesuchten und vertrauensvollen Ansprechpartner bei Fragen der Gebiets- und Funktionalreform.