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Kirgisistan/Bischkek
Der ehemalige kirgisische Parlamentspräsident und Abgeordnete Chynybai Tursunbekov ist verstorben

Der ehemalige kirgisische Parlamentspräsident und Abgeordnete Chynybai Tursunbekov ist am 6. Juli 2020 verstorben, teilten seine Abgeordnetenkollegen mit.

In einer Zeit, in der COVID-19 auch in Kirgisistan viel Leid über die Menschen bringt, war bei ihm eine Lungenentzündung festgestellt worden. Er war daraufhin an ein Beatmungsgerät angeschlossen worden.
Zuvor hatte sein Assistent noch mitgeteilt, dass sein Zustand stabil wäre und er sich erholen würde.
Er war erst 59 Jahre alt.
Chynybai Tursunbekov war von 2016 bis 2017 Sprecher des kirgisischen Parlaments.
Auch unter den Augen von westlichen Beobachtern war er am 27. April 2016 mit 88 Stimmen der anwesenden 120 Abgeordneten zum Parlamentspräsidenten gewählt worden und hätte sich damit keinen besseren Start wünschen können.
Während seines Glückwunschbesuchs am 17. Mai 2016 konnte der Projektleiter Zentralasien der HSS dem neuen kirgisischen Parlamentspräsidenten auch Fragen über seine zukünftigen Ziele stellen.
An diesem Tag fand der folgende kurze Dialog zwischen beiden statt.

Max Georg Meier: Wie sehen Sie ihre neue Aufgabe als kirgisischer Parlamentspräsident?
Chynybai Tursunbekov: Es ist eine große Verantwortung, Vorsitzender eines Parlaments zu sein. Leider gibt es auch heute viel Kritik an unserem kirgisischen Parlament. Ich glaube jedoch, dass die laufende Abgeordnetenversammlung gut arbeitet. Ich werde Ihnen jetzt nicht die Zahl der in dieser Legislaturperiode erarbeiteten bzw. verabschiedeten Gesetzesentwürfe und –beschlüsse aufzählen. Wir als Abgeordnete sollten aber nicht nur mit der Gesetzgebung beschäftigt sein, sondern eng mit den Wählern arbeiten. Wir dürfen den Kontakt zu diesen niemals verlieren. Wir sind durch die Stimmen unserer Wähler beauftragt und verpflichtet, deren Erwartungen zu erfüllen. Wir müssen die bisherige Praxis verlassen, den Willen des Wählers manchmal zu missachten.
Wir müssen der gültigen Entwicklungsstrategie des Parlaments folgen. Es genügt nicht, nur Gesetze zu erlassen. Es ist notwendig, diese in der Praxis umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Hier müssen die dem Parlament zur Verfügung stehenden Kontrollmechanismen noch verbessert werden. Das Parlament muss auch die Qualität der gebilligten Dokumente verbessern.
Bedauerlicherweise passieren unsere Gesetzesvorlagen oft die zuständigen Kommissionen und das Plenum in Eile, ohne dass auf ihre Eigenheiten und wesentlichen Inhalte detailliert eingegangen wird. Und dann sind alle überrascht, dass diese Gesetze nicht funktionieren. Der Grund dafür ist offensichtlich: Sie sind noch „roh“. Deshalb werde ich zuerst versuchen, die Qualität von Gesetzesentwürfen zu erhöhen.

Max Georg Meier: Als Ihre Kandidatur von der SDPK-Fraktion angekündigt wurde, sagten Sie, dass, falls Sie gewählt würden, die Tür Ihres Büros immer für alle Mitglieder des Parlaments offenstehen würde – ohne Ausnahme…
Chynybai Tursunbekov: Ich werde die Abgeordneten nicht in „unsere“ und die „anderen“, in Regierungskoalition und Opposition unterteilen. Das Parlament ist nicht mein „persönlicher Besitz“, wo ich mit dem einen spreche und den anderen ignoriere. Ich habe kein Recht, eine solche Haltung einzunehmen. Wenn die Abgeordneten der Oppositionsfraktionen ein Problem diskutieren wollen, werde ich mich darüber freuen. Ich unterstütze jede Art von Dialog. Es ist wichtig für mich, die Meinung von allen zu erfahren, besonders auch von den jungen Kollegen, weil gerade sie in der Regel viele neue konstruktive Ideen haben.

Max Georg Meier: Nach vielen Jahren als Parlamentarier, wie sehen Sie  selbst Ihr Parlament heute?
Chynybai Tursunbekov: Ein Parlament ist immer ein lebender Organismus. Und es ist ganz normal, dass es hier immer wieder auch Intrigen und Gerüchte gibt. Es wäre nicht gut, wenn es diese in unserem Parlament nicht geben würde. Gerüchte können auch als ein Zeichen dafür gewertet werden, dass unser Parlament mit Leben erfüllt ist. Aktive Debatten, oft sogar Redeschlachten über Gesetzesentwürfe sind an der Tagesordnung. Jeder Abgeordnete bzw. jede Abgeordnete hat das Recht, seine bzw. ihre Meinung frei auszudrücken. Die Tatsache, dass manchmal auch inoffizielle Information in Umlauf kommt, ist wahrscheinlich ein ganz normales Ereignis, das zum jungen Parlamentarismus unseres Landes dazugehört.
Es ist auch mir bekannt, dass es Abgeordnete gibt, die nicht regelmäßig an den Sitzungen teilnehmen. Die deswegen vom kirgisischen Parlament eingeführten Strafen haben bisher noch zu keiner Verbesserung geführt. Ich denke, dass wir hier Lösungen zusammen mit den Fraktionsvorsitzenden finden sollten.